Wie die meisten Themen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz liegt auch maschinelles Lernen (ML) derzeit im Trend. Dabei handelt es sich um IT-Systeme, die große Datenmengen auswerten, um selbstständig Muster und Regelmäßigkeiten zu erkennen und diese auf neue Daten anzuwenden, um Prognosen zu erstellen und Zusammenhänge zu identifizieren. Für Unternehmen stellt sich früher oder später die Frage, ob ML wirklich die Zukunftstechnologie ist, als die sie in der Öffentlichkeit dargestellt wird, ob sie das leisten kann, was von ihr erwartet wird, und ob sie auch für sie geeignet ist, um aktuelle Herausforderungen zu bewältigen und die Zukunft des Unternehmens zu sichern.
AUFSTIEG UND ABSTIEG ZUR MARKTREIFE: DER GARTNER HYPE CYCLE
Die „klassische“ Informationsquelle für die Bewertung neuer Technologien ist der Hype Cycle des Marktforschungsunternehmens Gartner. Dabei handelt es sich um eine Kurve, die die Regelmäßigkeit des Aufstiegs, Niedergangs und Übergangs zu einer akzeptierten Technologie nachzeichnet und prognostiziert. Gartner prägte den Begriff für dieses Auf und Ab und entwickelte die Darstellung in einer Fortschrittskurve. Die Einstufung von Technologien in diesem Schema ist sicherlich subjektiv, aber sie hilft Unternehmen, ihre eigene Einschätzung des Potenzials neuer Technologien mit den gesammelten Einschätzungen anderer zu vergleichen.
Ein Blick auf die Grafik für KI für 2021 zeigt, dass ML den Höhepunkt übertriebener Erwartungen überschritten hat und sich auf dem Weg in die Talsohle der Ernüchterung befindet – verbunden mit der Erwartung, dass der Übergang zu einer weit verbreiteten und akzeptierten Technologie innerhalb weniger Jahre stattfinden wird. Mit anderen Worten: ML ist noch nicht Standard, aber auf dem besten Weg dahin. Unternehmen, die bereits auf ML setzen, verschaffen sich einen deutlichen Vorsprung, sind aber nicht davor gefeit, eine Lektion zu lernen.
IMMER MEHR UNTERNEHMEN SETZEN ML EIN
Studien in Deutschland zeigen die wachsende Akzeptanz von ML in Unternehmen. Laut dem IDG-Bericht „Studie Machine Learning 2020“ werden ML-Technologien von mehr als 43 Prozent der befragten Großunternehmen und rund 30 Prozent der mittelständischen Unternehmen eingesetzt. Kleinere mittelständische Unternehmen mit 50 bis weniger als 500 Mitarbeitern liegen mit zehn Prozent noch zurück. In der Folgestudie aus dem Jahr 2021, die einen anderen Ansatz hinsichtlich der Unternehmensgröße verfolgt, liegt der Anteil mittelständischer und großer Unternehmen mit ML-Projekten bei 70 Prozent, während die Zahl für Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern bei knapp 60 Prozent liegt. 41 Prozent der Befragten der Studie „Artificial Intelligence in the Midmarket”, die 2021 von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte veröffentlicht wurde, sehen ML als wichtige Technologie für mittelständische Unternehmen.
VON DER NISCHE ZUR FUNKTIONALEN ANWENDUNG
Aber nicht nur die Zahl der Unternehmen, die an ML-Projekten arbeiten, steigt, auch das Spektrum der Anwendungsfälle wächst. Nach Angaben des Internet-Branchenverbands eco und Arthur D. Little werden bis 2025 mindestens 50 verschiedene Anwendungsfälle in Unternehmen fest etabliert sein.
Anwendungsbereiche finden sich zunehmend in der IT mit ihren immer komplexer werdenden Infrastrukturen und zur Abwehr von Cyberangriffen sowie in der Produktion. Dort wird ML vor allem für die vorausschauende Wartung, die Qualitätssicherung und die Optimierung von Produktionsprozessen sowie für die Optimierung von Lieferketten eingesetzt. Im Marketing und Vertrieb spielen Marktanalysen und die Unterstützung durch digitale Assistenten die Hauptrolle. Die Teilnehmer der Deloitte-Studie sehen unter anderem auch in den Bereichen Finanzen und Rechnungswesen, Personalwesen und Forschung und Entwicklung großes Potenzial.
Laut der IDG-Folgestudie mangelt es neuen Anwendungen wie Kundenselbstbedienungsangeboten, die von einigen Unternehmen entwickelt werden, manchmal an Kundenakzeptanz, beispielsweise wenn es um medizinische Diagnosen geht. Was ML braucht, ist Zeit, um sich in Unternehmen zu etablieren. In vielen Unternehmen fehlt es weniger an Geld für ML-Projekte als vielmehr an der Akzeptanz der Belegschaft und an Befürchtungen hinsichtlich einer mangelnden Akzeptanz bei Kunden und Partnern. Außerdem fehlt es an spezifischem Know-how, das derzeit auf dem Arbeitsmarkt kaum zu finden ist, sodass insbesondere mittelständische Unternehmen auf die Zusammenarbeit mit geeigneten Dienstleistern zurückgreifen.
FAZIT
ML hat sich von einer Nischenanwendung für Nerds zu einer Technologie mit einem breiten Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten entwickelt. Die meisten Unternehmen haben erkannt, dass die neue Technologie einen hohen Wert für ihre zukünftige Entwicklung hat. Gleichzeitig haben ML-Lösungen einen Reifegrad erreicht, der innerhalb weniger Monate positive Auswirkungen für die Mehrheit der Nutzer haben kann. Unternehmen, die bisher gezögert haben, sich mit ML zu befassen, sollten den Wissensvorsprung ihrer Konkurrenten nicht zu groß werden lassen, damit sie nicht in wenigen Jahren ins Hintertreffen geraten, denn ML ist auf dem besten Weg, zum zukünftigen Standard zu werden.